AKTUELLER STAND DER REAKTIVIERUNG
„Eine gute Idee braucht einen langen Atem“
DER STAND DES REAKTIVIERUNGSPROZESSES AM JAHRESENDE 2023
Die Reaktivierung der Lumdatalbahn hat begonnen. Und zwar ganz konkret mit der Sanierung der Teilstrecke Lollar – Staufenberg-Mainzlar für den Güterverkehr. Das zu RHI Magnesita gehörende Werk für feuerfeste Steine in Mainzlar stellt einen Teil seiner Logistik auf die Bahn um. Nur aufgrund der Existenz der Lumdatalbahn und ihrer prinzipiellen Reaktivierbarkeit hatte der Konzern buchstäblich in letzter Minute seinen Beschluss zur Stilllegung des Werkes zurückgenommen. Diese erfreuliche Kehrtwende wird als „Wunder von Mainzlar“ in die lokale Wirtschafts- und Sozialgeschichte eingehen – und „unsere“ Lumdatalbahn ist mittendrin dabei!
Die Wiederaufnahme des Güterverkehrs hat gezeigt, wieviel in wie kurzer Zeit geleistet werden kann, wenn viele Beteiligte an einem Strang ziehen. Die Hessische Landesbahn HLB konnte rund ein Jahr nach dem Beschluss zur Wiederinbetriebnahme die Lumdatalbahn in ihr Eigentum übernehmen und bereits davor mit ersten Arbeiten beginnen.
Der Eigentümerwechsel wird voraussichtlich auch die Reaktivierung für den Personenverkehr beschleunigen. Im August 2023 erhielt die HLB vom Land Hessen einen Zuschuss über 4,3 Millionen Euro zur Durchführung von Planungsleistungen. Konkret sollen mit diesem Betrag die Leistungsphasen 3 und 4 des Planungsprozesses beauftragt werden, an deren Ende üblicherweise ein baureif geplantes Bauprojekt steht. Im Rahmen dieser Planung werden die Kosten detailliert ermittelt und nochmals mit den aktuellen Regeln für standardisierte Nutzen- Kostenuntersuchungen abgeglichen.
Am Jahresende 2023 fällt ein erfolgter sauberer Rückschnitt der Vegetation auf. Er dient nicht nur dem Erhalt der Streckensubstanz, sondern ermöglicht auch die Begutachtung der Trasse sowie der Bauwerke im Rahmen des Planungsprozesses. Im Jahr 2024 werden wir voraussichtlich immer wieder Menschen an der Strecke treffen, die sich beispielsweise mit Baugrunduntersuchungen, den Brückenbauwerken oder dem Zustand der Entwässerungsgräben beschäftigen.
DER STAND DES REAKTIVIERUNGSPOZESSES IM JANUAR 2021
Eine konkrete Kostenschätzung für die Reaktivierung der Lumdatalbahn, verbunden mit einer realistischen Neubewertung der „Haben-Seite“ bei Nutzen-Kosten-Untersuchungen für Bahnstrecken im ländlichen Raum – diesen Wunsch äußern unsere Aktiven gemeinsam mit politisch Verantwortlichen aus der Region seit 2018 wiederholt und vehement. Seit November 2020 herrscht zumindest bei den Kosten für die Bahnreaktivierung ein Stück weit Klarheit. Besser noch: Die Botschaft, dass ländliche Bahnstrecken andere Bewertungskriterien im Rahmen standardisierter Nutzen- Kostenuntersuchungen benötigen als Ballungsraumstrecken, scheint im Berliner Verkehrsministerium angekommen zu sein. Zu beiden Themen informierte eine Pressekonferenz am 10.11.2020 mit Gießens Landrätin Anita Schneider.
Seit 2012 laufen vertiefende Untersuchungen zur Reaktivierung der Lumdatalbahn von Lollar nach Rabenau-Londorf. Begonnen hat der aktuelle Untersuchungs- und Planungsprozess mit einer Vorstufenuntersuchung des Büros IGDB, zu deren Finanzierung noch die mittlerweile aufgelöste Lumdatalbahn AG beigetragen hatte. 2016 wurde der Untersuchungsprozess vorläufig abgeschlossen mit dem Ergebnis, dass die Lumdatalbahn im Stundentakt unter Beibehaltung einer parallelen Buslinie prinzipiell förderfähig ist. Es wurde der formale Planungsprozess eingeleitet. Heute sind zwei von vier Planungsstufen abgearbeitet. Am Ende der Planungsstufe II steht eine umfassende Bestandsaufnahme, verbunden mit einer schon sehr konkreten Kostenanalyse.
EINE GUTE INVESTITION
Die Ergebnisse wirken auf den ersten Blick wenig ermutigend, müssen aber im Zusammenhang gesehen werden einerseits mit dem fortschreitenden Verfall der Strecke und andererseits mit dem geschärften Blick auf den Nutzen von Bahnstrecken im ländlichen Raum in Zeiten von Klimawandel, demographischem Wandel und dem erklärten Willen, die Provinz als bezahlbaren Lebensraum wieder stärker ins Visier zu nehmen.
Die Baukosten verdreifachen sich ungefähr gegenüber den Erstprognosen aus der Vorstufenuntersuchung sowie der Nutzen-Kosten-Untersuchung und liegen jetzt bei 26 bis 32,5 Millionen Euro. Die Planerinnen und Planer unterstellen allerdings eine umfassende Erneuerung des Gleiskörpers und nicht nur eine einfache Instandsetzung des bestehenden Schienenstrangs. Zwar haben Ehrenamtliche rund um die Lumdatalbahn AG und den Verein Lumdatalbahn e.V. sich über mittlerweile mehr als 25 Jahre hinweg der Herkulesaufgabe angenommen, den Verfall der Bahn zu stoppen, gegen die zunehmende Überalterung der Anlagen konnten sie aber nichts unternehmen.
Landrätin Anita Schneider hatte im Spätherbst 2020 im Bundesverkehrsministerium persönlich vorgesprochen, um neue Wege für die Finanzierung der Lumdatalbahn zu finden. Die bisherigen Förderkriterien bilden eine ausgesprochen hohe Hürde für die Reaktivierung von Bahnen im ländlichen Raum.
DER NEUE BLICK AUF DEN NUTZEN
Selbst im städtischen Umfeld scheiterten Bahnlinien – trotz offensichtlichem Bedarf nach besseren Verkehrsangeboten – regelmäßig an den NKU-Kriterien, beispielsweise die ehemalige Schienenstrecke von Darmstadt Ost nach Roßdorf und Groß Zimmern. Auch die Aartalbahn als „Vorortbahn“ der knapp 300.000 Einwohner zählenden Stadt Wiesbaden schaffte es bisher nicht, nach den standardisierten Kriterien als förderwürdig für den Eisenbahnbetrieb ohne die „Citybahn Wiesbaden“ eingestuft zu werden – obwohl volle Busse und regelmäßige Staus auf der Bundesstraße nebenan das Potenzial beweisen.
Unterstützt durch das Land Hessen erarbeiten Fachleute im Bundesverkehrsministerium daher angepasste Förderrichtlinien. Der Klimaschutz, der Schutz vor Überalterung ganzer Landstriche und die Entlastungsfunktion für die großstädtischen Wohnungsmärkte stecken dabei den Rahmen ab. Und die Lumdatalbahn hat nach Ansicht der Gießener Landrätin gute Chancen, mit Förderung des Bundes modellhaft zu zeigen, welches Potenzial in rostigen Schienen auf dem Land liegt.